Home  =>  Übersicht   =>  Keramik  =>  

Formenreichtum der Gefäßtypen

Um die Gefäßformen um 1300 zu verstehen, muss ein umfassenderer Zeitrahmen betrachtet werden.

Erste Hälfte des 13. Jahrhunderts

Zeitgleich mit der Entwicklung des neuen, härter gebrannten Scherbens des Faststeinzeugs treten zu Beginn des 13. Jahrhunderts im Rheinland auch neue Dekorationsformen auf. Der härtere Scherben war das Resultat nun erreichbarer höherer Brenntemperaturen. Auf deren technische Voraussetzungen soll hier nicht näher eingegangen werden.

Mit der Einführung schneller drehender Töpferscheiben (die schnell laufende "Drehbank mit Scheibe und zwei Pedalen", die "Blockscheibe" wird um 1240 entwickelt [Jean Gimpel: Die industrielle Revolution des Mittelalters. München/Zürich, 1980; S. 263]) erhalten die Gefäßwandungen ausgeprägte Drehriefen, die teilweise vom Töpfer mit Formhölzern betont aufgebracht werden. So entsteht die so genannte "Geriefte Ware". Sie wird in den nächsten Jahrhunderten für die Töpferei des Rheinlands typisch sein. Bei den frühen so dekorierten Gefäßen ist der untere Teil noch handgeformt und nur der obere Teil mit Riefung versehen. Im Lauf der Zeit dehnt sich die Riefung auf den unteren Gefäßteil aus. Auch Rollstempelverzierungen und eingeritzte Wellenlinien werden angebracht. Weiteres Merkmal ist der typische Kragenrand oder -lippe und der Wellenfuß.

Es erscheinen neue Gefäßvarianten. Vorherrschende Formen der "Gerieften Ware" sind Walzenbecher mit Kragenlippe, Zylinderhalskrüge und -kannen, auch mit Rollstempelmustern, große und kleine Doppelhenkelflaschen und Amphoren, kleine kugelige, geriefte Becher. Der Grapen taucht neben den einfachen Kugeltöpfen als Kochgefäß auf.

Das neue härtere Material löst die bisher produzierte weichere Irdenware jedoch nicht ab. Durch die unterschiedlichen Materialeigenschaften ergeben sich für den Einsatz im Haushalt neue Möglichkeiten. Es bildet sich allmählich eine Zweiteilung heraus: das Koch- und Vorratsgeschirr aus poröser, hitzebeständiger 'weicher' Ware und das Tafel- und Schankgeschirr aus (fast) wasserdichtem Faststeinzeug. In den meisten Töpfereizentren wird beides parallel hergestellt.

 

Zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts

Um die Mitte des 13.Jahrhunderts werden die betonten Wandungsdekorationen auch im Kölner Raum sehr beliebt. Es sollen deutlich die einzelnen Elemente der Wandungen, also Hals, Schulter und Bauch gegeneinander abgegrenzt werden. Am Anfang genügt es, den Hals vom Gefäßbauch abzusetzen. Die Betonung erfolgt zunächst nur durch einen geglätteten Streifen zwischen den Riefen oder durch ein Rollstempelband. Die weiche S-Umrisslinie wird beibehalten. Die später auftretenden stärkeren Grate und Furchen müssen in einem zusätzlichen Arbeitschritt mit Hilfe von Formhölzern angebracht werden. Häufig werden sie mit Bändern feiner Riefung abgeschlossen. In Siegburg sind auch eingeritzte Wellenlinien belegt.

Der Übergang vom Gefäßhals zum Bauch, die Schulter, ist nun auch der Punkt, an dem der untere Teil des Krughenkels angesetzt wird. Die Henkel sind von nun an hauptsächlich klein und überspannen nur noch den Hals.

Freude an handwerklichen Raffinessen, am Ausprobieren neuer Techniken und komplizierter Formen lassen u. a. teilweise recht vielfältige Variationen der Kragenlippen entstehen. Sie bringt auch Gefäße (z. B. Tassen, Krüge und Flaschen) mit drei Füßen oder Knubben hervor. Diese dreibeinigen Gefäße sind nach Reineking von Bock und Jansen mit Ausnahme der Grapen lediglich eine kurzzeitige Erscheinung der Jahre um 1300.
Auf besondere Experimentierfreude weist auch die auftretende Formenvielfalt der Becher hin. Neben dem üblichen gekniffenen Wellenfuß finden sich auch schon einige Becher mit kantigem, exakt abgedrehten Fuß. (Dies ist eigentlich ein Stilmerkmal des 16. Jahrhunderts.) Kugeltöpfe mit exakt gearbeiteten Drehrillen als schmückendem Rand treten häufiger auf.

Zunehmend werden Engoben verwendet.

Lippenformen
nach Annemie Moll: 
Lippenformen

Erste Hälfte 14. Jahrhundert

Der Formenreichtum wird wieder eingeschränkt.

Während der Zeit des Experimentierens mit der Form war das einfache Gefäß mit s-förmiger Silhouette in der vergangenen Jahrhunderthälfte nie ganz verschwunden. Nun wird auf diesem Umriss weiter aufgebaut.
Merkmal der Gefäße aus dem Rheinland ist ein birnenförmiger Gefäßkörper auf breitem Wellenfuß. Die Krüge haben die markante Kragenlippe. Deren dreieckiger Querschnitt - innen glatt und leicht nach außen abgerundet - ist viel einfacher gearbeitet als der des 13. Jahrhunderts und hebt sich deutlich von der Gefäßwand ab. Die typische Riefung der Gefäße ist ausgeprägt und sorgfältig gearbeitet. Die Gliederungen der Gefäßwand der Zylinderhalskrüge werden häufig durch einen umlaufenden Wulst auf der Krugschulter verstärkt.

Tüllengefäße werden unmodern.

Es kommen neue Flaschenformen auf: es gibt nun Standflaschen mit nur einem, statt bisher zwei Henkeln und häufig engerem Hals. Es sind auch runde Feldflaschen belegt, die sich als Gebrauchsgeschirr bis ins 19.Jahrhundert gehalten haben.
 

zurück zur vorherigen Seite

© Elisabet Wolber     Letzte Aktualisierung: 09.07.2005